Disillusion – Back To Times Of Splendor
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2004 neigt sich dem Ende zu und rückblickend kann man durchaus behaupten, dass man es hier mit einen sehr guten Jahrgang zu tun hatte. Zumindest, was die musikalischen Releases im Metalbereich anging. Und es begab sich, dass eines der großen Highlights (wenn nicht DAS Highlight) des Jahres in deutschen Landen geschmiedet wurde. Und von diesem Stück will ich Euch heute berichten.
DISILLUSION, die bereits durch ihre Demos äußerst positiv aufgefallen waren, brachten mit „Back To Times Of Splendor“ ihr Majordebüt an den Start, das seine Geschichten in einer selten gehörten Detailfülle und in den verschiedensten Spielarten der Musik (Death, Black, Prog, Rock, Pop, Klassik, Filmmusik etc.) erzählt. Und was soll ich Euch sagen; es war ein Gejubel und Getrubel seitens der Fachpresse, in das auch bald viele Alt- und Neufans einstimmten. Da Metalnews-Leser vom Webzine ihres Vertrauens jedoch kritischere Töne erwarten, als das übliche „über-den-grünen-Klee-Gelobe“, habe ich mir höchstselbst den Silberling noch einmal vorgenommen, um ihn einem Härte- und Weichtest zu unterziehen.
Bevor wir also mit einer Beschreibung derer Minnegesänge beginnen, die das Metal-Volk in so große Extase versetzt haben, werden wir uns dem Album von einem rein technischen Standpunkt her nähern. Wir haben es mit einem exzellent produzierten Exemplar zu tun, das allein im Bereich des Schlagzeuges ein paar kleine Abstriche machen muss, da sich dort stellenweise hölzerner Klang vernehmen lässt (besonders auffallend in der Einleitung der titelgebenden Weise, die da lautet „Back To Times Of Splendor“). Der Barde mit Namen Vurtox überzeugt und verzaubert das Publikum mit seiner facettenreichen Stimme, die zwar sicher nicht dem Geschmack jedes Fräuleins bei Hofe entspricht, den meisten Damen jedoch zu gefallen weiß. Unterstützt wird er dabei von seinen Mitmusikern, die hier zum ersten Mal auch als Backgroundsänger fungieren. Instrumental wird hier großes Können offenbart, wobei die Balladen nie so technisch strukturiert sind, dass der ein oder andere Kammerdiener dabei einschlafen könnte. Der gehobene Anspruch in der Musik, der selbst den berühmten Spielleuten von OPETH das Fürchten lehrte, spiegelt sich auch in den Texten wieder, in denen die Barden, in gewohnter Manier, erlebte Begebenheiten in ein Gewand aus Poesie kleiden. In Verbindung mit der Musik, ergeben diese Worte das Gesamtkunstwerk, das „Back To Times Of Splendor“ darstellt. Erst diese Kombination ermöglicht es uns, die ganze Schönheit, die darin steckt, zu verstehen, zu fühlen und zu erleben. Ich merke, dass ich abschweife und möchte mich daher nun den einzelnen Stücken zuwenden.
„And The Mirror Cracked“ ist ein nicht sonderlich spektakulärer Einstieg, der jedoch durch schöne Melodien, abwechslungsreiches Songwriting und einen bittersüßen Text einige Pluspunkte sammeln kann. Zwiespältiger gestaltet sich „Fall“, das von allen Songs vielleicht noch am meisten an die „Three Neuron Kings“ EP erinnert, durch stellenweise merkwürdig balancierten Gesänge jedoch ein wenig verwirrend geraten ist. Allerdings bügeln dieses Manko die anderen Qualitäten des Songs wieder aus; besonders die Instrumentalarbeit im letzten Abschnitt weiß sehr zu gefallen. Das erste große Highlight wird von schwerem Atmen, instrumental modern arrangierten Drums und verzerrtem Gesang eingeleitet. „ … and every tone cuts deep like rain in april …“ lautet dann die Gesangsstelle, die die Gesichtszüge jedes Befürworters schöner Klänge in ein Abbild des Kuschelweich-Bärchi-Anlitzes verziehen sollte (Wir erinnern uns : Ein vor Glück fast platzendes und strahlendes Stoffbärchen plumpst in einen Berg Wäsche. Welch ein Wonneproppen! Nie gesehen? Use your imagination, goddammit!). In der Mitte des Tracks zelebrieren die Musiker eine EMPEROR – Hommage, die das Herz des Metalfans noch höher schlagen lässt. Was für ein Song! Zum Verschnaufen war anfangs ja genug Zeit, weshalb es auch gleich an das nächste Highlight geht. Durch eine Violinenmelodie, die eine der eingängigsten Elemente des Albums ist, eingeleitet, spiegelt der 15-minütige Track alle Stärken der Band wieder. Und das sind nun wirklich nicht wenige – ob das nun der göttliche Refrain „There’s a road that i must travel …“ (Kuschelweich-Bärchi-Time!!) ist, oder eine weitere, an neuere EMPEROR – Werke erinnernde Stelle, die bei Fans für feuchte Augen sorgen sollte, sanftes Akustikspiel zu Klängen der Natur oder oder oder … Einer musikalischen Reise gleich wird der Hörer durch verschiedene, emotionale und an Intensität kaum zu überbietende Welten getragen, nur um sich am Schluss des Titels im Refrain wiederzufinden, dem man immer und immer wieder lauschen möchte. Ein Wiederhören mit Elementen der Marke OPETH gibt es in „A Day By The Lake“, wo jedoch der typische DISILLUSION Stil eventuellen Verwechselungen vorbeugt. Ein schönes Zwischenspiel, dem das zweite Schwergewicht des Albums folgt. „The Sleep Of Restless Hours“ besticht durch tolles Riffing, eine rührselige Handlung und einmal mehr die musikalische Finesse, die dieser Band gegeben ist. Freunde der DISILLUSION-Demos werden sich tierisch über das eingangs akzentuiert gerollte „R“ freuen (Vurtox-Style; hat überhaupt nichts mit RAMMSTEIN zu tun) und auch sonst kann der Vokalist auch hier wieder durch seine wandlungsfähige Stimme glänzen. Und gerade, wenn man schwermütig denkt, es ist vorbei, offenbart sich, nach kurzer Pause, noch ein verstecktes Stück Musik, das mit akustischem Gitarrengeklimper beginnt, in das ein Saxophon einsteigt, welches dann in ein Mörder-Riffing umschlägt. Bei diesen Tönen schießen mir folgende Worte wie glühende Nadeln durch den Kopf – „Deshalb hör’ ich Metal!“. Ja, das ist es, genau so und nicht anders! Und nach Abschluß zuckt der Trigger-Finger bereits wieder zur „Play“ – Taste, um die Gefühlsweltenreise erneut anzutreten.
Bei aller Objektivität und kritischer Beäugung des Materials, bleibt einem also trotzdem nichts anderes übrig als zu jubeln. „Back To Times Of Splendor“ ist die Symbiose, auf die Musikliebhaber metallischer Prägung Jahre gewartet haben. Und dass geniale Musik kein Image braucht, stellen die drei Köpfe von DISILLUSION außerdem noch unter Beweis. Angefangen beim farblich unaufdringlich und künstlerisch sehr schönen Coverartwork bis hin zu den Bandfotos, die das Trio als nette Jungs von Nebenan zeigen. Das Album sei jedem, der sich ausgiebig mit dem was er hört beschäftigt und dabei Wert auf Abwechslung, Klasse und Emotionalität legt, wärmstens empfohlen. Wer Musik nur als kurzweilige Unterhaltung für zwischendurch sieht, sollte jedoch einen Bogen um die Scheibe machen. Für ’ne schnelle Nummer ist sie nämlich einfach zu schade.
sOULiON / 21.11.2004