Siddharta – Rh-
„Chartanwärter mit leichter Kitschtendenz“
Was musste man in der letzten Zeit nicht alles über die slowenischen Hopefuls SIDDHARTA in der Fachpresse lesen. Packten einige der Kollegen sie aufgrund der allenfalls unterstützend eingesetzten Avantgarde-Elemente auf ihrer aktuellen Platte „Rh-“ gleich in die Prog Metal-Ecke, schwärmten andere vom neuen Stern am Folk Rock-Himmel, während ein weiterer Teil der Medienvertreter sie gar mit Rammstein verglich.
Dabei ist eine Definition der musikalischen Ausrichtung auf vorliegender Scheibe ganz leicht: SIDDHARTA machen Rock mit starkem 80’er Pop Einschlag – Punkt. Die oben erwähnten Einschätzungen sind jedoch nicht völlig aus der Luft gegriffen, denn in der Tat weisen einige Songs (z.B. „Insane“) starke Anleihen aus dem Folk-Bereich auf, während man in einem (!) Stück („T.H.O.R“) tatsächlich unverschämt bei Rammstein abkupfert. Nur sollte all dies doch erlaubt sein, ohne direkt den Weg in irgendeine Schublade antreten zu müssen.
Dominant sind auf „Rh-“vor allem die vielen ausgeklügelten Melodiebögen, die von Ausnahmesänger Toni M. perfekt in Szene gesetzt werden. Ab und an bohren sich heftige Gitarrenwände in die sensibel-melancholischen Grundstimmungen der Stücke, die oftmals von Streichern unterstützt werden. Gleichzeitig wird aber fast immer darauf geachtet, dass der Hörer nicht mit den Tränen ringt. Diese Mischung hat’s in sich und ich muss kein Prophet sein, wenn ich behaupte, dass Siddharta bei entsprechendem Marketing die hiesigen Charts knacken werden wie eine morsche Walnuss.
Dafür bringen sie alles mit, was man halt so benötigt, um das nächste große Ding zu sein: gute Songs, die allesamt sofort im Ohr hängen bleiben und deren härtere Exemplare demnächst in sämtlichen Tanzschuppen der Republik für Bewegung sorgen werden. Auf „RH-“ sind so viele potentielle Singles wie zuletzt auf EVANESCENCES „Fallen“ und der Exotenbonus dürfte ein Übriges zum Erfolg der Truppe beitragen.
Da wir uns um die Zukunft des Sextetts also keine Sorgen zu machen brauchen, kommen wir zum Schwachpunkt des Albums. Bei allem Verständnis für das Anstreben eines durchgängigen Gänsehauterlebnisses, ist mir der Kitschanteil bei einigen Nummern einfach zu hoch. Songs wie „Rain“, „You Betray“ oder „Etna“ triefen dermaßen vor Schmalz, dass sie eher in die ZDF-Hitparade, denn auf ein hartes Rockalbum gehören. Daran sollte man auf jeden Fall noch arbeiten, wenn man nicht zu früh in der belächelten SCORPIONS- Balladen Liga landen will. Zusammen mit dem bereits angesprochenen, höchst aufgesetzt wirkenden T.H.O.R, sind dies die nicht wegdiskutierbaren Wermutstropfen auf der Scheibe.
Ansonsten bietet „Rh-“ zeitlos gute Rockmusik, die auch tolerante Metaller mit leichtem Hang zum Pathetischen in ruhigen Stunden mal anchecken können. Anspieltipps: das grandiose „Japan“ und das erwähnte folkige „Insane“
Marcus Italiani / 15.04.2005